Vom Zauber der stillen Nächte

Beim ältesten Adventslied durften alle mitsingen: "Es ist ein Ros entsprungen". Die Rose ist ein Reis, ein Spross aus der Wurzel Jesse, dem Vater des Königs David. Von da aus spannte sich der großartige Bogen dieser "Chormusik zur Weihnachtszeit" bis in die Gegenwart. Fünf Jahrhunderte Musik der Sehnsucht und des Wartens auf das Erlöserkind in der Krippe. Um es gleich zu sagen: Der Unichor Hohenheim gestaltete einen wunderbar leuchtenden Abend in St. Antonius.

Die ersten Lichter dieses "Dezemberabends" setzten Alexander Q., die pianistische Säule des Chors, mit seiner eigens komponierten Introduktion sowie der Chor mit Dmitri Bortnjanskis bewegendem, altrussischem Lobgesang "Tebe Poem". Advent ist eine stille Zeit. Walter Pfohl hat seinen Chor zu einem Instrument geformt, das gerade auch den leisen Tönen ein Pianissimo rotglühender Innigkeit abgewinnt bis hin zum ergreifenden Zauber der Stillen, der Heiligen Nacht. Zudem besitzt der Unichor die Gabe wundersamer Verjüngung: Erfahrene Stimmen bleiben, aber junge Semester ergänzen den Chorklang immer wieder (nicht von allein, ich weiß, auch das ist Arbeit!).

Die Choreografie des Lichts prägte das Programm dieses Benefizkonzerts. Max Bruch, Felix Mendelssohn, Franz Liszt, Peter Cornelius, Max Reger und Gioachino Rossini  waren die Leuchtspuren des 19. Jahrhunderts. Eine helle Frömmigkeit spricht aus ihren Chorstücken, die die Gottesmutter preisen, den Stern des Meeres, und ihr Kind in Schlaf wiegen. Auch die Hirten haben ihren Platz. Verena W. begleitete sie mit klarem Sopran von der Nachtwache draußen bis zum heiligen Ort, zu den "Windlein vom Kindlein". Auch das kann nicht jeder Chor: die Solopartien mit eigenen Kräften besetzen. Claudia G. und Elke E. füllten mit John Rutters "Christmas Lullaby" Bethlehems Dunkel mit Licht und die Luft mit Wiegenliedklängen. Ungewöhnlich, Max Regers "Mariä Wiegenlied" von einem Tenor zu hören, aber die zarte Schlichtheit, mit der Armin B. Rosenhag und Sommerwind, Vögelein und Mutter Brust gestaltete, machten den Schlummer des Jesuskindes zur süßen Lust.

Ein weiterer Höhepunkt der Kunst des Chores war zweifellos "O magnum mysterium" von Morten Lauridsen. Der Amerikaner (* 1943) dänischer Herkunft hat auf einen 400 Jahre alten Text zurückgegriffen, der darüber staunt, wie Tiere den neugeborenen Herrn sehen, den eine Jungfrau würdig war zu gebären. Viele Komponisten haben diese schlichten Worte schon vertont. Lauridsen schafft 1994 ein weltberühmtes Werk, das der Chor mit beachtlicher Intensität gestaltet. Es beginnt mit einem geheimnisvollen Pianissimo-Klang, der das große Mysterium scheu inTöne fasst, sich gewaltig ausbreitet, um am Ende mit dem Alleluja der Engel wieder wie im Nichts zu verschwinden. Lauridsen: "I wanted this piece to resonate immediately and deeply into the core of the listener, to illumine through sound." Den Schlussakkord setzte Antonio Vivaldi mit seinem Gloria in D-Dur, das noch einmal strahlend Chorklang und Sopransoli vereinte.

Nachdrücklicher konnte das zahlreiche Publikum kaum zur "Hilfe für den Nachbarn" aufgefordert werden, der vorweihnachtlichen Aktion der Stuttgarter Zeitung. Wer so herrliche Musik geboten bekommt, spendet gern.    W. R.