Requiem von W.A. Mozart 2019
Ein mehr als gelungener Einstand
Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, das fulminante Stabübergabekonzert, mit dem die Ära „Walter Pfohl“ endete und die Arbeit des neuen Chorleiters Sebastian Herrmann im Oktober 2018 begann. Und jedermann war natürlich gespannt, ob und wie sich der Stabwechsel auf die Probenarbeit und die Chorqualität auswirken wird, aus Sicht der Sänger wohl überwiegend verbunden mit dem Wunsch nach einer gesunden Mischung aus Kontinuität und neuen Impulsen.
Vom Ergebnis konnten sich interessierte Fans am 14. April in der Steckfeldkirche Hohenheim (sozusagen dem „Wohnzimmer“ des Unichores) ein Bild machen. Der neue, junge Chorleiter stellte ein inhaltlich der beginnenden Karwoche entsprechendes Programm zusammen. Die Sängerinnen und Sänger eröffneten den Abend mit einer Trauermusik von Johann Sebastian Bach („O Jesu Christ, meins Lebens Licht“, BWV 118b). Die einzelnen Zeilen des Chorals im Sopran werden hierbei (wie bei Bach üblich) kunstvoll polyphon von den übrigen Chorstimmen umspielt, und dem Chor gelang es, die eher tröstliche als traurige Stimmung des Werks durch dynamisch flexible Linienführung und Klangschönheit überzeugend zu realisieren. Begleitet wurde der Unichor von der „arcademica sinfonica“, einem Orchester, das sich sowohl aus Profis als auch ambitionierten Laien zusammensetzt und sich bei diesem Eröffnungsstück als solides aber mit der gebotenen Zurückhaltung agierendes Begleitensemble erwies.
Es folgten zwei Instrumentalwerke des 20. Jahrhunderts. Die Trauermusik für Solo-Viola (Solistin: Dorothee Bahn) und Streichorchester von Paul Hindemith, die von ihm buchstäblich kurzfristig (innerhalb von sechs Stunden) für eine Radioübertragung in London komponiert wurde, stellte stimmungsmäßig und insbesondere mit dem finalen Choral einen gelungenen Bezug zu Bachs Trauermusik her. „Silouan’s Song“, ein kurzes Werk für Streichorchester des estnischen Komponisten Arvo Pärt, erschloss sich dem Hörer inhaltlich zwar nicht unbedingt, fügte sich aber durch den kontemplativ-ruhigen Charakter in die bis dahin geschaffene Stimmung nahtlos ein.
Mit Mozarts berühmtem Requiem folgte dann allerdings der unbestrittene Höhepunkt des Abends. Unterstützt von zusätzlichen Instrumentalisten im Orchester (neben drei Posaunen, Pauke und Orgel sogar zwei selten zu sehende und zu hörende Bassetthörner) und ergänzt um ein vortreffliches Solistenquartett (Isabelle Métrope, Katharina Göhr, Nicklas Pfrommer, Marius Sauter) präsentierte der neue Chorleiter Mozarts düsteres Meisterwerk auf höchst eindrucksvolle Weise. Schon die langen, dynamisch spannungsvollen Linien im Introitus machten neugierig auf die weiteren Sätze. Und die Hörer wurden nicht enttäuscht. Die Sequenz als berühmtes Kernstück des Requiems begann mit dem furios-dramatischen „Dies irae“, bei dem der Chor seine dynamischen Maximalfähigkeiten wirkungsvoll zur Geltung brachte. Beim „Rex tremendae“ war auffällig, wie perfekt die Chorsänger die Zeichensprache ihres neuen Chefs umsetzten und die homophonen Akkorde exakt, gemeinsam und klangschön ausformten. Hier macht sich sehr deutlich die umfassende Detailarbeit Sebastian Herrmanns während der Proben bemerkbar, inklusive der häufigen Bitten auf gemeinsame „Absprache“ innerhalb der Stimmen (womit freilich nicht eine beiläufige „Vereinbarung“ gemeint ist, sondern das Bestreben, die Textworte mit einem schließenden Konsonanten auf eine exakt definierte Taktzeit gemeinsam „abzusprechen“, d.h. zu beenden). Überhaupt überzeugte der Chor durchweg durch klare Aussprache und exakte Einsätze, insbesondere bei den polyphonen Herausforderungen des „Kyrie“ , des „Domine Jesu Christe“ und des finalen „Cum sanctis tuis“. Sehr eindrucksvoll auch das „Confutatis“ mit den kraftvollen Männerstimmen, den sphärischen Terzen im Damenchor sowie den klangschönen harmonischen Entwicklungen am Ende, die die im Text dargelegte Unterwürfigkeit und Demut merklich spürbar werden ließen.
Der kraftvolle Schlussakkord des finalen „Cum sanctis tuis“ ließ dann das Publikum zunächst auch einige Sekunden ergriffen zurück, bevor sich die berechtigte Begeisterung in langanhaltendem Applaus entlud.
Es war aber auch in hohem Maße beeindruckend, was der junge Chor-Maestro in vergleichsweise kurzer Zeit mit dem Chor auf die Beine gestellt hat. Auch Walter Pfohl, der als Inhaber einer lebenslangen Dauerkarte ebenfalls im Publikum war, zollte seinen Ex-Schützlingen hohen Respekt und sprach unter anderem von „wohlgelungener Dynamik“ und „blitzsauberen Fugati“.
So kann es weitergehen, und das nächste Projekt „Look at the World“ wurde ja auch bereits für den Herbst angekündigt. Es bleibt dem Unichor somit unbedingt zu wünschen, dass ihm sein neuer Leiter möglichst lange erhalten bleibt. Vielleicht auch 50 Jahre? A.&B.Q.